Berufungsverfahren und studentische „Mitbestimmung“

Aus den Erfahrungen der FSI-Arbeit am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften an der Freien Universität Berlin berichtet die FSI OSI.

Das Berufungsverfahren oder – wie werden Stellen erklüngelt?

Es gibt nicht viele ProfessorInnen in Deutschland und tendenziell fallen gerade in den Politik- und Sozialwissenschaften Stellen den so genannten Sparzwängen zum Opfer. Um aber in der wissenschaftlichen Gemeinschaft anerkannt zu werden, streben viele ForscherInnen danach, einmal auf solch einen Posten berufen zu werden.

Doch weit ist der Weg einer wissenschaftlichen Karriere und meist ist es die Krönung einer Forscherlaufbahn ProfessorIn zu werden. Und auch nicht für jeden wissenschaftlichen Ansatz steht ein solcher Posten zur Verfügung. Denn das Berufungsverfahren, angefangen bei der Formulierung eines Ausschreibungstextes bis hin zur eigentlichen Berufung einer Person durch den zuständigen Minister eines Bundeslandes, ist politisch hoch aufgeladen.

Die Berufungskommission

Dies beginnt bereits mit der Besetzung der Berufungskommission. Diese besteht für gewöhnlich aus ProfessorInnen des Institutes, das die freigewordene Stelle ausschreibt, KollegInnen aus dem Fachbereich, so genannten externen Kommissionsmitgliedern und einem Studierenden. Die Kommissionsmitglieder werden vom Institutsrat ins Amt gesetzt. Auch wenn in professoralen Kreisen die alten Grenzen zwischen konservativen und linken Wissenschaftsansätzen verschwimmen, wird immer noch stark darauf geachtet, möglichst ein ausgeglichenes Bild der zum Beispiel am OSI existierenden Seiten herzustellen. Ähnlich wird bei der Besetzung der externen Kommissionsstellen verfahren.

Die Studierenden in der Berufungskommission

Der Studierende hat keinerlei Entscheidungskompetenz in der Kommission und soll lediglich beratend tätig werden. Im Prinzip wird hier der Forderung nach studentischer Beteiligung an der Besetzungspolitik pro forma Genüge getan. Allerdings ist dieses Amt völlig sinnlos, da Informationen aus internen Sitzungen der Kommission sowieso nicht an die studentische Öffentlichkeit gelangen dürfen.

Die Arbeit der Berufungskommission

Doch zurück zur Arbeit der Kommission an sich. Diese beginnt die zahlreichen Bewerbungen der Menschen, die sich auf die Ausschreibung gemeldet haben, auszusortieren. Herausfallen zu meist all diejenigen, denen es nicht gegönnt ist in den schillernden Blättern des Faches Gehör zu finden. Sei es, weil ihre Forschungen dem Anspruch des Blattes nicht genügen oder weil sie Meinungen vertreten, die vom Mainstream der „scientific community“ nicht akzeptiert werden. Auch Hausberufungen oder die Ernennung eines/r zu alten Wissenschaftlers/in wird häufig von vornherein ausgeschlossen.

Der Kreis der BewerberInnen wird also immer kleiner, bis eine Anzahl von 10-12 AnwärterInnen ausgesiebt wurde. Diese werden dann zu öffentlichen Anhörungen geladen, an denen auch Studierende teilnehmen dürfen. Hier ist nun also für die ambitionierten WissenschaftlerInnen möglich ihre Kompetenz in einem kurzen Vortrag zu beweisen. Thema ist meist der eigene Forschungsschwerpunkt und die Vorstellung von der Professur, auf die sich beworben wurde.

Geschlossene Beratungen

Sind die öffentlichen Anhörungen geschafft, geht die Berufungskommission in geschlossene Beratungen bzw. Verhandlungen. Zum einen wird die Qualität der einzelnen Vorträge und Lebensläufe diskutiert. Zum anderen geht es aber auch gerne darum, welche KandidatInnen sich am leichtesten vorschlagen lassen, ohne dass Personen von außerhalb – entscheidungsmächtige Professoren, das Präsidium der Universität, Politiker – etwas gegen den Vorschlag der Kommission einzuwenden haben könnten.

Nach der Entscheidung: Die Kriterien der Rangliste

Wurde eine Entscheidung gefällt, ordnen die Kommissionsmitglieder die verbliebenen besten 3-4 BewerberInnen in einer Rangliste. Hier sind die unterschiedlichsten Kombinationen möglich: Es können zwei auf den ersten Platz gesetzt werden oder man zählt von 1-4 durch usw.. Wichtig hierbei ist, dass mindestens noch eine Frau im Rennen ist, denn man will ja den Anschein erwecken, die Universität sei kein hegemonial männliches Feld mehr.

Die eigentliche Entscheidung, wer des ausgewählten Quartetts nun die Berufung erhält, liegt schließlich nicht mehr bei der Berufungskommission, sondern beim Präsidium der Universität bzw. beim für Wissenschaft zuständigen Minister. Es kann auch passieren, dass keine der ausgesuchten Personen den Ruf der Universität erhält. Gründe hierfür lassen sich aber oft nur hinter vorgehaltener Hand erfahren. Man munkelt über gute Beziehungen des einem zum andern und dass dann doch noch andere BewerberInnen ins Spiel gebracht wurden, die sich auf die eigentliche Ausschreibung gar nicht beworben hatten.

Und wer fragt uns Studierende dabei?

Nehmen wir einen Moment dieses krude System der Ernennung eines Menschen zum Professor hin und fragen uns, welche Rolle Studierende bei dieser Auswahl spielen. De facto spielen sie keine. Zwar wird in den Ausschreibungen immer Wert auf innovative Ansätze in der Lehre gelegt und die Studierenden haben die Möglichkeit an den Anhörungen teilzunehmen, um einen interessanten Vortrag mit Applaus zu versehen oder einen eher schwachen Anwärter mit kritischen Fragen ins Schwitzen zu bringen. Auf die Entscheidung der Kommission hat dies leider so gut wie keinen Einfluss.

Zwei Beispiele aus den Berufungsverfahren am Otto-Suhr-Institut

Zwei Beispiele aus den öffentlichen Anhörungen zur Besetzung der Professuren für Internationale Politische Ökonomie und Politische Ideengeschichte: Unter anderem bewarben sich für die Stelle von Elmar Altvater, Professor für Internationale Politische Ökonomie, die unter den Studierenden bekannten Wissenschaftler Christoph Scherrer und Ulrich Brand. Gerade Brand, in globalisierungskritischen Fragen und Dingen, die die Nord-Süd-Beziehungen angehen, ein Experte in Deutschland, erschien vielen Studierenden ein adäquater Nachfolger für Altvater zu sein. So kam es, dass bei Scherrer und vor allem bei Brand der Hörsaal, in dem die Anhörung stattfand, sich deutlich füllte. Seinem Vortrag wurde mit viel Beifall gedankt und auch auf alle Fragen hatte er eine Antwort. Den Ruf bekam er deshalb nicht. Es ist abzusehen, dass keiner der beiden von der Kommision vorgeschlagen wird. Bedenkt man, dass gerade die Professur von Elmar Altvater in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts durch studentische Proteste erkämpft wurde, eine Ohrfeige für jedes studentische Interesse.

Das Berufungsverfahren für die Professur Politische Ideengeschichte, ehemals von Gerhard Göhler besetzt, barg eine erhebliche Brisanz, da sich mehrere sehr bekannte Forscher auf diesen Posten beworben hatten. Daneben stand die Bewerbung von Klaus Roth, der seit Urzeiten Dozent am OSI ist. Es bildete sich eine studentische Initiative, die die Berufung von Roth forderte. Dieser lag die Überzeugung zu Grunde, mit Roth einen engagierten Wissenschaftler und verständnisvollen Lehrer zu bekommen, mit dem viele Studierende sehr gute Erfahrungen gemacht hatten. Zum anderen lebt Roth seit Jahren von einem extrem geringen Gehalt, da er nicht fest angestellt ist und für seine Seminare lediglich einen festen Preis pro Semester bekommt.

Ein offener Brief wurde aufgesetzt und viele Unterschriften für unseren Favoriten gesammelt. Auch kam es zu einem Gespräch mit Mitgliedern der Kommission. Obwohl die endgültige Entscheidung noch nicht bekannt ist, kann stark davon ausgegangen werden, dass die Wahl nicht auf Roth gefallen ist. Die Gründe hierfür sind nicht unterschiedliche Kompetenzen oder das Problem einer Hausberufung von Roth, sondern Klüngeleien, die hinter verschlossenen Türen stattfanden. So war die Rede davon, es könne Versuche von außen oder aus der Kommission selbst geben das Berufungsverfahren zu blockieren oder gar abzubrechen, würden nicht die „richtigen“ Personen ernannt. Zu diesen gehörte Roth, der sich als Hegel-Marxist positioniert hatte und sich danach nach der Meinung einiger Kollegen selbst desavouiert hätte, eindeutig nicht.

Es fragt niemand die Studierenden nach ihrer Meinung, wenn es um die Besetzung neuer Stellen geht. Also muss es die Sache der Studierenden, sein für ihre Mitbestimmung zu kämpfen.

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