Schleichend und kaum bemerkt von der Öffentlichkeit bahnt sich in diesen Tagen eine weitere Blamage der Lenzenschen Elitepolitik ab. Schon der Boykott der Berufung des Politologen Albert Scharenberg durch Lenzen zeigte, dass man dessen Exzellenzankündigungen nicht allzu ernst nehmen sollte – kann doch ein Bewerber noch so exzellent sein und zu den „Besten Köpfen“ seines Fachs gehören: wenn er zu links ist, will das Präsidium ihn trotzdem nicht.
Aber auch bei den Studierenden scheint es mit der Elitenpickerei nicht so zu klappen wie man sich das vorstellt: wie der AStA in einer Presserklärung berichtete, hat eine Vielzahl von BewerberInnen immer noch keine Zu- oder Absage von der FU und wird am Telefon vertröstet. Was die Gerüchteküche schon längst berichtete, ist damit offiziell: das diesjährige Zulassungsverfahren ist ein einziges Desaster. Denn wenn eine Uni am 25. September, fünf Tage vor Semesterbeginn, noch keine Reaktion auf eine Bewerbung abgibt und am Telefon die Leute nur vertröstet oder lediglich inoffizielle Mitteillungen über Zu- oder Absagen verteilt, kann man das nur als totales Scheitern bezeichnen.
Diese Praxis steht im krassen Widerspruch zum vollmundigen Elitegelaber des Präsidiumsund auch zu schicken Renommier- und Pilotprojekten wie dem neuen Genieausleseverfahren alias „Studierfähigkeitstest„, der für den Studiengang Psychologie erstmals nach „wissenschaftlichen Methoden“ die Guten von den Schlechten BewerberInnen trellen solllte.
Auch in Psychologie gibt es nach unseren Informationen immer noch Leute, die von der FU keinerlei Nachricht erhalten haben. Gehören diese nun nicht zu den „Besten“? Und wenn ja, warum erhalten sie dann nicht wenigstens eine Absage, sondern drehen ihre Schleifen in x-fachen Nachrückverfahren? Dieser Zustand ist nicht nur für die BewerberInnen unzumutbar, er offenbart auch die ganze Scheinheiligkeit des aufgesetzten Elitendiskurses. Viele der „besten Köpfe“ werden sich längst Studienplatz und Wohnung woanders gesucht haben, anstatt bis Vorlesungsbeginn noch auf eine Zusage von der FU zu warten.
Die FU ist halt, trotz Marketing, Corporate Identity und fortschrittlich-diktatorischen Führungsmethoden auch nur eine unter vielen überfüllten und überforderten Massenuniversitäten – nicht schlechter und nicht besser aufgestellt als der Rest. Anstatt jedoch die Probleme beim Namen zu nennen, klar anzusagen dass Personal, Lehrkräfte und Sachmittel fehlen, anstatt mit den Studierenden gemeinsam Lösungen zu suchen, wird seitens des Präsidiums eine völlig irreale PR-Werbewirklichkeit aufgebaut, mit der man vielleicht den NachwuchsjournalistInnen vom Unispiegel imponieren kann, die aber die realen Probleme nur notdürftig verschleiert.
Und die realen Probleme sind politischer Natur: der bundesweite Vormarsch von Studiengebühren löst im gebührenfreien Berlin eine Bewerbungswelle aus, der allgemeine Abbau von Studienplätzen und Kapazitäten lässt die NC´s in absolut irreale Höhen schießen und sorgt dafür, dass heutige AbiturientInnen sich nicht bei drei, sondern eher bei fünfzehn Unis bewerben. Wenn unter diesen Bedingungen ein Zulasssungsbüro schlappmacht, dann ist das nicht wirklich so überraschend. Dass aber die FU Leitung sich dazu überhaupt nicht verhält, sondern weiter im Wunschdenken auf der Elitewolke schwebt, das ist der eigentliche Skandal.
Doch allgemein denken Professoren und UnipräsidentInnen in Deutschland nicht in derartigen Kategorien. Alle zappeln wehrlos am Haken des Elitewettbewerbs, hauen und stechen sich um auf fünf Jahre beschränkte Forschungsmittel, die von der Summe her nur einen witzlosen Bruchteil von dem ausmachen, was die Politik den Unis in den letzten Jahren aus den Rippen geschnitten hat. Die Unileitungen – und die FU ist dabei ausnahmsweise mal Vorreiter – kümmern sich jedoch nicht darum, hier gemeinsame Interessen zu finden und zu vertreten. Sie haben den Elitenquark voll verinnerlicht, passt er doch so schön zu ihrem professoral-bürgerlichen Habitus. Ein jeder Unirektor hofft, man möge bald schon seine Hütte zum Leuchtturm erklären. Doch allzugroße Leuchten sind die deutschen Professoren allesamt nicht, sonst hätten sie diesem Treiben schon längst Einhalt geboten. Von ihnen ist also keine Solidarität im Kampf für bessere Studienbedingungen zu erwarten – das müssen die jetzigen und zukünftigen Studis schon selber besorgen. Wenn diese jedoch selbst auch noch auf den Elitenkram hereinfallen – dann gute Nacht.