FU-Präsidium plant BA/MA-Revision im Alleingang

Studentische Mitbestimmung vollständig mißachtet. Studentische Reform-Anträge nicht mehr erwähnt.

In der vergangenen Sitzung des Akademischen Senats am 14.10.09 ist das Präsidium der FU seinem autoritären Ruf zum wiederholten Male vollständig gerecht geworden. Formalia wurden gebogen, Mitbestimmungsrechte gebeugt, für nicht existent erklärt und sehenden Auges gebrochen. Wo immer möglich, verweigerte Sitzungsleiter Dieter Lenzen die Behandlung von studentischen Anträgen. Oft wurden hierfür zum Teil offensichtlich haltlose formale Begründungen ins Feld geführt. Weder Lenzen noch sein Rechtsberater Hellmuth-Johannes Lange (Leiter des FU-Rechtsamtes) konnten oder wollten hierfür jedoch überzeugende oder präzise Begründungen geben. Er und das Präsidium suchten, wie schon in den vergangenen AS-Sitzungen, auch im späteren Verlauf immer wieder Ausflüchte.

Geschäftsordnungsdebatten ohne Ende

Mit zum Teil grotesken Begründungen wichen sie immer dann konsequent aus, wenn sie von den Studierenden der FSIn-Liste unbestreitbar widerlegt wurden, indem diese nicht zuletzt den Wortlaut der jeweiligen Paragraphen in der Teilgrundordnung der FU und der Geschäftsordnung des Akademischen Senates vortrugen und die ohnehin fragwürdigen formalen Begründungen des Präsidiums in sich zusammen fielen.
So wurden Anträge der Studierenden nicht in die Tagesordnung aufgenommen mit der Begründung, der AS sei nicht zuständig. Die Frage, warum der AS nicht zuständig sei, blieb nicht nur unbeantwortet, Rechtsamt-Leiter Lange führte sogar an, dass eine Begründung zu umfangreich und daher dem Rechtsamt nicht zumutbar sei.

Nachdem bereits mindestens eine Stunde im Akademischen Senat mit diesen formalen Diskussionen verbracht worden war, beklagte sich Dieter Lenzen, daß so viel über die Geschäftsordnung geredet werde, während doch Lenzen selbst sich an nahezu jedem Punkt auf die genannten Begründungen zurück zog, warum studentische Anträge nicht behandelt oder ihnen nicht Statt gegeben werden könne.
Das Vorgehen des FU-Präsidiums sorgte an einigen Stellen sogar unter den ProfessorInnen zu vereinzeltem Raunen bis hin zu offen geäußertem Unmut. Auch wenn die professorale Mehrheit des Präsidiums unverbrüchlich zu halten scheint, konnten die Studierenden immer wieder die Illegitimität des präsidialen Vorgehens aufzeigen.

Verzögerungspolitik

Dennoch werden studentische Mitbestimmungsrechte so, insbesondere auch in dieser AS-Sitzung, in immer offenerer und selbstverständlicher Weise umgangen. Die dem Präsidium unliebsamen studentischen Anträge zur Tagesordnung, zum Protokoll des 02.09.09 und zur intransparenten Forschungsförderung vor den akademischen Wahlen 2009 teils zum wiederholten Male nicht behandelt. Die Nachbennenung der KfL konnte nach studentischem Druck nur als Diskussionspunkt behandelt werden, nachdem sie erst ganz von der Tagesordnung verschwinden sollte. Als Antwort, warum die KfL-Nachbenennung nicht Statt finden könne, gab Präsident Dieter Lenzen immerhin offen zu erkennen: „Die Namen der vorgeschlagenen Studierenden sind nicht Konsens [mit dem Präsidium; M.B.].“ Der Frage, welche Namen genau kein Konsens seien, wurde durch FU-Vizepräsidentin Christine Keitel-Kreidt ausgewichen, indem sie indirekt beispielsweise begründete: Es sollten nur Studierende der neuen Studiengänge benannt und nach dem „Expertenprinzip“ ausgesucht werden. Eine genaue Definition dessen bleibt das Präsidium seit zwei Jahren schuldig, denn: Im Zweifel entscheidet es selbst, wen es als „Expertin oder Experten“ anerkennt.

Das Präsidium blockiert somit nunmehr erneut seit fünf Monaten die Nachbenennung der studentischen Mitglieder der Kommission für Lehre (KfL). Es bleibt seit Monaten Antworten zur Forschungsförderung schuldig. Dies erweckt und nährt den Eindruck der Untreue des Präsidiums, sowie der Begünstigung und Vorteilsnahme von möglichen Bedachten. Denn es waren kurz vor den akademischen Wahlen 2009 direkt vom FU-Präsidium sowie an der FU-Forschungskommission und auch den dortigen ProfessorInnen vorbei Gelder in Höhe von etwa 3,5 Mio EUR vergeben worden.

Sogar zur Neuwahl der 5 auswärtigen FU-Kuratoriumsmitglieder (von zehn Mitgliedern insgesamt), die vom FU-Präsidium vorgeschlagen wurden, gab sich Dieter Lenzen unkooperativ: Weder waren die vorgeschlagenen Personen anwesend, noch wurden Lebensläufe der vorgeschlagenen Personen präsentiert oder diese Personen, ihre Auffassungen oder ihr Tun in den vergangenen zwei Jahren (alle 5 sind gegenwärtig bereits Mitglieder des FU-Kuratoriums) überhaupt vorgestellt. Begründung Dieter Lenzens: Es könne doch nicht erwartet werden, daß diese Personen extra zu ihrer Wahl anreisen.
Der Akademische Senat sollte also die Hälfte der Kuratoriums-Mitglieder ohne jegliche Kenntnis über diese neu hinein wählen. Da die dem Präsidium treue professorale AS-Mehrheit – Trotz der offensichtlichen und unbestreitbaren Illegitimität und deutlichen Kritik von Studierenden-Seite – auch hier unbeirrbar stand hielt, blieb den Studierenden nur, ein gemeinsames aufschiebendes Veto einzulegen. Dies geschah auch. Und es erfolgte die übliche Antwort Dieter Lenzens: „Also wird der Antrag in der nächsten Sitzung wieder hoch genommen.“ In dieser Sitzung kann er dann nicht mehr durch die Studierenden verhindert werden.

Der ebenfalls verzögerte AS-Antrag Sarah Walz‘ zur Herausgabe des FU-Leistungsberichtes 2008, der schon in der AS-Sitzung des 15.07.09 gestellt worden war, erübrigte sich dieses Mal dadurch, daß Dieter Lenzen den vollständigen Bericht nun direkt in der AS-Sitzung am 14.10.09 aushändigen ließ. Erst durch den unablässigen studentischen Druck und durch nicht von der Hand zu weisende Geltendmachung von Informationsrechten war dies hier möglich geworden. Schon beim FU-Leistungsbericht 2007 hatte Lenzen es im Sommersemester 2009 nicht zum Präzedenzfall der Behandlung und Abstimmung eines rechtlich präzisen und einwandfreien studentischen Informationsantrages im AS kommen lassen. Er hatte diesen letzteren Bericht nach einem halben Jahr der Verzögerung – von November 2008 bis Mai 2009 – freiwillig zusenden lassen, ohne daß der AS hierüber abstimmen konnte. Immerhin gab Lenzen so schließlich beide Leistungsberichte selbst heraus.

B.A./M.A.-Revision: „Fahrplan“ des Präsidiums

Das FU-Präsidium will die „Reform“ der „Studien-Reform“, nicht zuletzt nach den Jahre langen Versuchen, die KfL nach seinen Maßgaben zu gestalten, nun vollständig an allen irgend demokratisch kontrollierbaren Strukturen und den gewählten studentischen Gremien-Mitgliedern vorbei umsetzen. Es will hierzu einen „Beirat“ einsetzen, der vollständig und direkt vom FU-Präsidium abhängt. An diesem „Beirat“ und seiner Wahl sollen der Akademische Senat und die Studierenden im AS nicht mehr beteiligt werden. Die studentischen FU-Bildungsstreik-Anträge werden dabei nicht ein Mal mehr diskutiert oder erwähnt.

Dieter Lenzen behauptete am 14.10.09 im Hinblick auf die KfL sowie den noch zu schaffenden „Beirat“ zur Überarbeitung von Bachelor und Master, der AS habe dabei keine Kontroll- und Informationsrechte. Das Präsidium könne sich selbst aussuchen, von wem es sich beraten lassen wolle, und entsprechend Beratungsgremien nach eigenem Ermessen besetzen. Dies brachte es dieses Mal noch mehr als zuvor mit einem Gebaren der Selbstverständlichkeit vor, als würden dem Präsidium, nicht dem AS alle wesentlichen Befugnisse an der FU zukommen. Wie könnte es anders sein?

Das Vorgehen des Präsidiums widerspricht sogar noch dem Prinzip der Koordinierung durch gemeinsame Kommissionen, wie es vom FU-Präsidium selbst 1999 für den Beschluß über gemeinsame Kommissionen von AS und Präsidium angeführt worden war. Es führt die akademische Selbstverwaltung ad absurdum und verstößt gegen den Grundsatz, nachdem die universitären Gruppen ihre VertreterInnen eigenständig benennen dürfen.

Die von FU-Vizepräsidentin Christine Keitel-Kreidt präsentierte Powerpoint-Präsentation zur B.A.-/M.A.-Revision wurde den AS-Mitgliedern, wie auch eine weitere zur Dahlem Research School, wiederholt erst zum betreffenden Tagesordnungspunkt selbst präsentiert und auch dann nicht in Kopie an die AS-Mitglieder verteilt oder verschickt. Eben so, wie es bereits in der AS-Sitzung des 02.09.09 mit 3 vorherigen Präsentationen (zu Hochschulverträgen, Charité und „Center for Cluster Development“) und einer Vorlage zur AS-Stellungnahme geschehen war. Voraussichtlich werden die beiden Präsentationen der 14.10.09-Sitzung, wie schon im Falle der Präsentationen des 02.09.09, erst dem Protokoll der nächsten AS-Sitzung im November 2009 beigefügt. Auch hier spielt das Präsidium seine Informationspolitik und zentrale Stellung rigoros aus und demonstriert den AS-Mitgliedern deutlich seine Missachtung.

Keitel-Kreidt erläuterte, das Präsidium habe bereits verschiedenen Fächern gemäß einer von ihm erstellten „Ampel-Liste“ mitgeteilt, wo es je nach „Farbe“ besonderen Überarbeitungsbedarf sehe. Etwa 20, also etwa 1/4 der FU-Studiengänge, sei „rot“ markiert. Überarbeitungsbedarf sah Keitel-Kreidt wiederholt auch bei den Wiederholungsprüfungen. Zudem soll es einen von der HochschulrektorInnen-Konferenz (HRK) beschlossenen Thementag an der FU geben, der sich mit der „Bologna-Reform“ aus einander setzt. Diese Idee war erstmals von HRK-Präsidentin Margret Wintermantel im letztsemestrigen Gespräch zwischen SchülerInnen, Studierenden und Bundesbildungsministerin Annette Schavan vorgebracht worden. Hierzu monierte Dieter Lenzen: „Die HRK ist leider kein Entscheidungsgremium, das zum Bologna-Prozeß Beschlüsse fassen kann.“ Eine Sonstigen-Vertreterin ergänzte, das „Campus Management System“ sollte ebenfalls erst ein Mal zur Funktionsfähigkeit gebracht werden.

Verschiedene studentische Kritikpunkte daran, wo das Präsidium Probleme analysierte und wo nicht, wurden zwar kaum ernst genommen, doch kam auch hier zuweilen Unbehagen sowie Zustimmung unter ProfessorInnen auf. Schließlich waren viele studentische Kritikpunkte – wie die Überregulierung und die geringe Mobilität – kaum von der Hand zu weisen.

Zweifel an Legitimität verstärken sich

Obwohl die Studierenden in dieser AS-Sitzung und darüber hinaus in immer geringerer Form an Entscheidungen beteiligt werden, so ist es doch an vielen Stellen gelungen, die Legitimität des präsidialen Vorgehens, auch unter den ProfessorInnen, deutlich in Frage zu stellen. Die viele und oftmals fundierte studentische Kritik und Protestbekundung, auch aus dem studentischen Publikum, während der 3 1/2-stündigen Sitzung wurde zum Teil mit Murren, zum Teil mit Unbehagen, vereinzelt jedoch auch zustimmend hingenommen. Dies ändert noch nichts an den derzeitigen Machtverhältnissen. Doch viele weitere solche AS-Sitzungen, in denen sich das Präsidium so offenkundig in’s Unrecht setzt, wird es sich hoffentlich kaum mehr leisten können.

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