Bei der von der Fachschaftsinitiative (FSI) organisierten Info-Veranstaltung „Herr Lenzen, wo bleiben unsere Juniorprofessoren?“ gestern am JFK-Institut der FU Berlin erhärtete sich der seit Mitte September in der Presse aufgekommene Verdacht, dass das Präsidium zu Unrecht und aus politischen Gründen das Berufungsverfahren für die Juniorprofessur für die Politik Nordamerikas seit mehreren Monaten blockiert. Die verschiedenen Begründungen des Präsidiums, die Liste nicht – wie im Landeshochschulgesetz vorgeschrieben – an den zuständigen Senator weiterzuleiten, wurden von direkten Beteiligten, u.a. von Dr. Albert Scharenberg, sowie in einer schriftlichen Stellungnahme von Prof. Dr. Margit Mayer selbst widerlegt. Prof. Dr. Wolf Dieter Narr, der als einer von etwa 200 nationalen und internationalen WissenschaftlerInnen den Offenen Brief an FU-Präsident Prof. Dr. Dieter Lenzen vom 15. Oktober unterzeichnet hatte, betonte darüber hinaus: „Das ist ein radikal undemokratisches Verfahren.“
Als seine Vertreterin entsandte Lenzen die Erste Vizepräsidentin Prof. Dr. Ursula Lehmkuhl zu der Veranstaltung, zu der rund 100 Studierende und Interessierte kamen. Trotz Lehmkuhls Bemühungen, die Vorwürfe gegen das Präsidium zu entkräften, blieben am Ende weiterhin viele Fragen offen, vor allem die nach dem wahren Grund für das Verhalten des Präsidiums. Deswegen fordert die FSI eine weitere Aufklärung und schließlich die Weitergabe der Liste an den Senat. Nach eigenen Worten hat die Veranstaltung die Vizepräsidentin zumindest zum „Nachdenken“ bewegt.
Ein wichtiger Punkt in der lebhaften und angespannten Diskussion war der ursprünglich über die Presse bekannt gewordene und nun durch Prof. Lehmkuhl bestätigte Einwand des Präsidiums, Scharenberg sei für sein Alter nicht qualifiziert genug. Dieser wurde besonders von Prof. Narr als inhaltlich nicht haltbar zurückgewiesen. Außerdem wurde mehrfach in Frage gestellt, wie das fachfremde Präsidium ein solches Urteil fällen könne, wo doch die gesamte Berufungskommission, zwei externe Gutachten sowie die beiden Fachgremien Institutsrat und Fachbereichsrat anderer Meinung seien. Laut BerlHG (§56 Abs. 3; §71 Abs.3 und Teilgrundordnung §14 Abs. 6; §101 Abs.1) hat das Präsidium für eine Ablehnung basierend auf den o.g. Gründen auch keine Kompetenz.
Abgesehen davon stand der erst vor wenigen Tagen durch Medien-Erklärungen des Präsidiums öffentlich bekannt gewordene Vorwurf der Befangenheit einzelner Kommissionsmitglieder und eines externen Gutachters im Raum. Lehmkuhl konkretisierte auf Nachfrage, dass die Kommissionsvorsitzende Prof. Mayer für befangen gehalten werde. Prof. Mayer erklärte dazu schriftlich: „lch möchte betonen, dass ich mich sicherlich der Mitwirkung in der Kommission und auch der Abstimmung im Institutsrat enthalten hätte, wenn Dr. Scharenberg wissenschaftlicher Mitarbeiter an meinem Lehrstuhl gewesen wäre oder wenn ich ihm aus anderem Grunde fachlich oder persönlich eng verbunden wäre.“ Durch das gleiche Schreiben sowie durch die Aussagen von Dr. Scharenberg wurde auch der zweite Vorwurf, der externe Gutachter Prof. Christoph Scherrer sei befangen, entkräftet. Wenn zudem die vom Präsidium dargelegten Sachverhalte bei Berufungsverfahren grundsätzlich als Befangenheit ausgelegt würden, verdeutlichte Prof. Narr, dann „würde die FU morgen zusammenklappen“
Das anwesende Mitglied des zuständigen Fachbereichsrates Politik- und Sozialwissenschaften, Prof. Dr. Hajo Funke, zog die Argumentationskette des Präsidiums generell in Zweifel, da diese nur aus Behauptungen bestünde, die nicht substantiiert seien und somit wie „willkürliche Feststellungen“ erscheinen müssten. Das neu vorgebrachte Argument der Befangenheit sei dabei „nachgeschoben und vorgeschoben“. Alle Seiten forderten schließlich eine „Heilung“ des Berufungsverfahrens sowie eine weitere Aufklärung des Verhaltens des Präsidiums. Studierende und Prof. Funke schlugen ein erneutes öffentliches Treffen in etwa vier Wochen zu diesen Zwecken vor. Prof. Lehmkuhl verhielt sich dazu nur vage: Das Präsidium müsse nun erst einmal „nachdenken“. Auf die Nachfrage, welche der Ablehnungsgründe denn nun aufrechterhalten würden, sagte Lehmkuhl: „Das ist Gegenstand des Nachdenkens.“
Für die Fachschaftsinitiative steht „Der Fall Scharenberg“ exemplarisch für die schleichende Entdemokratisierung der Universität. Auf jeden Fall bedarf es weiterer umfangreicher Diskussionen über die Frage, welche Kompetenzen Universitätspräsidien bei wissenschaftlichen Berufungsverfahren wirklich besitzen und besitzen sollten.
Siehe auch die aktuelle Berichterstattung auf SPIEGEL online.
Herausgegeben von der Fachschaftsinitiative des JFK-Instituts der Freien Universität Berlin
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