Alles wird besser

Der Mythos um Bachelor, „überlange“ Studienzeiten und hohe Magisterabbruchquoten

In den vergangenen Semestern wurde vom FU-Präsidium ein Bericht über den Studienerfolg in den an der FU neu eingeführten BA-Studiengängen in Auftrag gegeben.
Dieser Bericht liegt der Vizepräsidentin Christine Keitel-Kreidt bereits seit dem vergangenen Semester vor, wie sie in einer Sitzung der Kommission für Lehrangelegenheiten offen bekannte. Jedoch zeigte sich weder die Vizepräsidentin noch der Präsident in einer darauf folgenden Sitzung des Akademischen Senat bereit, diesen Bericht öffentlich zu machen oder zumindest den Mitgliedern der KfL und des Akademischen Senats zugänglich zu machen. Verständlich im „Wettbewerb“ mit den anderen Universitäten. Keine Universität will sich eine Blöße geben – nur in Flurgesprächen ist allen, selbst in den höchsten Ebenen, klar, daß der BA längst nicht das Erfolgsprodukt ist, als das er noch immer verkauft wird. Die Rede von „Kinderkrankheiten“ kann als Rechtfertigung nicht mehr her halten.

Dennoch sind nun erste gesicherte Zahlen und Schlußfolgerungen aus diesem Bericht bekannt geworden. So gibt es zum Beispiel in den ersten BA-Fächern Langzeittudierende im 13. Fachsemester. Denn eben so wie im Magister mit 9 Semestern gilt auch im BA: 6 Semester stellen die „Regelstudienzeit“ dar – eine formale Vorgabe, die einzuhalten in der Realität nur wenigen gelingt. Für 30 % der im Wintersemester 06/07 im 5. Fachsemester befindlichen BA-Studierenden galt nach deren Studienverhalten („Punkteerwerbsquote“) die Prognose, daß sie im Sommersemester 07 den Abschluß in der Regelstudienzeit erreichen würden. Dies sind unter 20 % der ehemals gestarteten BA-Studierenden. Überhaupt waren zu bei erreichen des 5. Fachsemesters nur noch die Hälfte der anfänglichen BA-Studierenden an der FU eingeschrieben.

Die FU-weite Studienabbruch-Quote in den BA-Studiengängen ist ein Geheimnis, das die Unileitung ebenso ungern öffentlich gemacht wissen will. Mit Begründungen wie solchen, daß dies doch für die Mitglieder der einzelnen Fächer ohnehin nicht relevant sei, sie die „Schwundquoten“ ihres jeweiligen Faches zu jeder Zeit einsehen könnten (was der Wahrheit entspricht), und, daß vermieden werden solle, die einzelnen Fächer und Fachbereiche gegen einander aus zu spielen (Wettbewerb!), wurde allen FU-Mitgliedern außer dem Präsidium selbst die Einsicht in die Globalstatistik verwehrt.

Werfen wir einen Blick auf die durchgesickerten Zahlen, wird nachvollziehbar, warum:
Die Studienabbruch-Quote in den BA-Studiengängen der FU liegt großen Teils über den Abbruchquoten der im selben Zeitraum überprüften Magisterstudiengänge. In einigen Studiengängen fast um das Doppelte. Insgesamt über 50 % der BA-Studierenden, sowohl in den Modulangeboten als auch im Kernfach, haben ihr Studium bisher abgebrochen.
Ein wichtiger Grund für die hohen Abbruchquoten sind fehlende Möglichkeiten zum Fachwechsel, wie auch aus einem aktuellen Artikel der AStA-Hochschulberatung deutlich wird. Aus derenn bisherigen Erfahrungen der Beratung geht hervor, daß ohne einfachere Optionen für den Fachwechsel viele Bachelorstudierende geradezu zum Abbruch bzw. Uniwechsel gezwungen sind.

Entsprechend ein Fazit des Berichts des FU-Präsidiums: Es wurden nicht bzw. zum Teil nicht die Vorstellungen erreicht, die mit der BA-Einführung angestrebt wurden – sowohl in den „Schwundquoten“ als auch im Studierverhalten.

Insgesamt gibt es etwa drei „Blöcke“, von denen die ersteren zwei die größten sind: Eine große Anzahl Fächer stehen im BA ungefähr gleich „schlecht“ oder „gut“ da in Sachen Studienabbruch – viele jedoch schlechter.
Nur wenigen Fächern ergeht es in Bezug auf „Schwundquoten“ und Studierverhalten mit dem BA dagege besser als mit dem Magister oder anderen Abschlußarten. Zu diesen gehört etwa der Bachelorstudiengang Mathematik.
Das Fach Geschichte hingegen steht deutlich schlechter da: Nur 60 % der BA-Studierenden waren im Wintersemester 06/07 noch eingeschrieben. Im Magister blieben alle im selben Zeitraum erhobenen Studierenden im Fach.
In Biologie blieben 30 % im BA und 87 % im Lehramt eingeschrieben. In Philosophie waren es 47 % im BA und 86 % im Magister.

Der Präsidiums-Bericht wird ständig überarbeitet. Es wird für alle Bereiche des Studiums darüber nachgedacht, wie „gegen gesteuert“ werden könne. Man ist an der FU-Spitze also nicht untätig. Ob durch diese „Steuerung“ den einzelnen Fächern Genüge getan wird, ist eine von vielen offenen Fragen. Ist es doch das Präsidium, das, vermittelt durch seine eigene Rechtsberatung, das FU-Rechtsamt, und durch die im Präsidium ansässige Studienabteilung mit ihrer Untergliederung „Team Studienstrukturentwicklung“ permanent in die einzelnen Studiengänge „hinein steuert“, „Nachbesserungen“ fordert, zum Teil immer straffere und fest gelegtere Studienstrukturen und verbindliche Studienverlaufspläne fordert und von einzelnen Fachbereichen immer wieder dafür verantwortlich gemacht wird, daß Studien- und Prüfungsordnungen bis zu fünf Monate lang „zur Prüfung“ beim Rechtsamt liegen bleiben und nicht verabschiedet werden könnten. Auch geht es zum Teil über Monate immer wieder zwischen einzelnen Fächern und Rechtsamt sowie zwischen Fachbereichen und Rechtsamt hin und her, bis eine Ordnung den Vorstellungen aus dem Präsidium genügt. Zum Teil auch nur vorläufig genügt – unter der Auflage, im nächsten Jahr „nach zu bessern“, also weiter an den Ordnungen zu basteln und mit ihnen zu experimentieren. Immer wieder werden klare(re) „Qualifikationsziele“ und „Modulbeschreibungen“ gefordert für Fächer, die schlicht nicht nach Vermarktungs- und Ausbildungsprinzip funktionieren, die sich nicht in ein fest gelegtes Definitionskorsett zwingen lassen.

Ein ähnliches Hin und Her und Experimentieren zeichnet sich schon jetzt für die ersten Masterstudiengänge ab.
Ein realistisches „Gegensteuern“ ist bisher nicht in Sicht. Lediglich die Fülle der verschiedenen nebeneinander bestehenden Studien- und Prüfungsordnungen in den einzelnen Fächern soll in Zukunft begrenzt werden. Doch auch dies ist lediglich ein Versuch, das Chaos in Grenzen zu halten. Die autoritäre Politik gegenüber Fachbereichen und Studierenden wird hingegen fortgesetzt.


M. Bartelt
Studentischer Vertreter im Institutsrat Philosophie